Horst Schwoon: Geschichtliches

Wer die Geschichte der Stuttgarter Bürgervereine und ihrer Dachorganisation erforschen will, der muss wissen, dass es Bürgervereine schon in der Mitte des 19. Jh. gegeben hat – z.B. wurden der Verschönerungsverein Stuttgart und auch die Bürgervereine der Innenstadt (Stuttgart-Mitte und –Süd) schon 1861 bzw. 1874/75 gegründet.

Auch der Bürgerverein der damals noch selbständigen Gemeinde Zuffenhausen (1874) und ein Bürgerverein in Heslach (1887) existierten schon vor dem 20. Jh. Noch zur Kaiserzeit wurden die Bürgervereine in Feuerbach (1900), in Sonnenberg (1903) und in Untertürkheim (1905) in´s Leben gerufen.

Der 1. Weltkrieg war dann auch für die Bürgervereine ein großer Einschnitt. Die Bevölkerung hatte damals und in der Zeit danach Wichtigeres zu tun, als sich ehrenamtlich für die Mitbürger einzusetzen. Jeder musste für sich selber sorgen, um in dieser schwierigen Zeit über die Runden zu kommen.
Doch schon bald nach den Wirren des Krieges bzw. der Inflationszeit wurden die ersten Bürgervereine in Stuttgart wieder gegründet – z.B. 1926 in Heslach und 1930 in Untertürkheim.

Aber nur wenig später – unter der nationalsozialistischen Herrschaft – ereilte sie alle das gleiche Schicksal: 1934 wurden alle Bürgervereine aufgrund eines Erlasses als selbständige Organisationen aufgelöst. Die Aufgaben übernahmen die Vertreter der Reichskulturverwaltung bzw. des Reichsnährstandes. Jedoch unmittelbar nach Ende des 2. Weltkrieges erwachten die Bürgervereine wieder aus der erzwungenen Starre und beteiligten sich sehr bald an der dringend notwendigen Aufbauarbeit in Stuttgart.

Alfred Krämer, 1880 geboren, von 1923-1933 bereits Stadtrat in Stuttgart, nahm die Dinge in die Hand und organisierte mit einigen Helfern die ersten Wiederaufbauschritte – sowohl bei den Bürgervereinen als auch im Gemeinderat der Stadt Stuttgart, in den er gleich nach dem Krieg wieder berufen wurde (1945). Die wichtigsten Aufgaben dieser Zeit – nachdem Stuttgart zum größten Teil in Schutt und Asche lag – waren die Lösung der Verkehrswege, der Wohnungsbau und der Aufbau der Wirtschaft und damit die Schaffung von bezahlten Arbeitsplätzen. Arbeit ohne Bezahlung (sprich: Aufräumarbeiten) gab es in der Stadt in Hülle und Fülle.

Alfred Krämer erwarb sich um die Neugründung der Stuttgarter Bürgervereine große Verdienste. Bereits 1949 wurden dazu die ersten Voraussetzungen geschaffen. Auch eine Dachorganisation der Bürgervereine war schon im Aufbau. Am 28. März 1950 berichteten die Stuttgarter Nachrichten von einer 1. Sitzung der "Vereinigten Bürgervereine von Groß-Stuttgart". Diese Zusammenkunft fand am Vortage im Sitzungssaal des Landtages in der Heusteigstr. 45 statt. Auch im Amtsblatt der Stadt Stuttgart vom 23.3.1950 wurde diese Veranstaltung angekündigt (nachzulesen in der Chronik der Stadt Stuttgart von 1949-55).

Alfred Krämer, der neben seiner Tätigkeit als Stadtrat noch in mehreren anderen Organisationen ehrenamtlich tätig war, wird in dem Artikel der Stuttgarter Nachrichten als Vorsitzender der Vereinigten Bürgervereine bezeichnet. Leider sind bisher keine weiteren Aufzeichnungen bekannt, was danach mit dieser Vereinigung geschah. Nachdem Krämer bereits Anfang 1953 nach langer schwerer Krankheit verstarb, dauerte es vermutlich ein paar Jahre, um sich bei den Bürger-vereinen umzustrukturieren und sich neu zu finden.
Die Geburtsstunde der Arbeitsgemeinschaft Stuttgarter Bürgervereine schlug im Jahre 1958. Sie wurde zunächst als "Kommunaler Arbeitskreis Stuttgart Arbeitsgemeinschaft der Vereinigungen Stuttgarter Bürger" von Vertretern der örtlichen Bürgervereine, der Handels- und Gewerbevereine sowie von Haus- und Grundbesitzervereinen zum "Zweck gemeinsamer Durchführung ihrer kommunalpolitischen Aufgaben und zu gegenseitiger Förderung ihrer Arbeit" (§1 der Satzung vom 5.11.1958) gegründet.

Soweit aus den vorhandenen Aufzeichnungen noch ersichtlich, waren dem "Kommunalen Arbeitskreis Stuttgart" seinerzeit elf Handels- und Gewerbevereine, zwei Haus- und Grundbesitzervereine sowie zehn Bürgervereine angeschlossen.

Bereits nach wenigen Jahren (1963) trennten sich die Handels- und Gewerbevereine aufgrund unterschiedlicher Auffassung über die Zielsetzung von der Arbeitsgemeinschaft.

Das bewog die Vertreterversammlung der verbliebenen Bürgervereine am 20.6.1964, den Kommunalen Arbeitskreis umzubenennen in "Arbeitsgemeinschaft Stuttgarter Bürgervereine". Zwar wurde 1970 noch einmal eine Zusammenarbeit mit den Handels- und Gewerbevereinen andiskutiert – es blieb aber bei der Trennung.

Als wichtigster Initiator zur Gründung der Arbeitsgemeinschaft muss Dr. Wilhelm Heinzelmann gelten, der auch der 1. Vorsitzenden von 1958 –1965 war. Seine wichtigsten Aufgaben waren die Konsolidierung der neu geschaffenen Vereinigung, das Fördern des Erfahrungsaustausches unter den Mitgliedsvereinen und das Heranführen neuer Vereine.

In der Mitgliederversamm-lung am 29.1.1970 wurde eine neue Satzung beschlos-sen und die Arbeitsgemeinschaft am 25.1.1971 beim Amtsgericht Stuttgart eingetragen. Sie nannte sich seit dem "Arbeitsgemeinschaft Stuttgarter Bürgervereine e.V."

Nach der Abspaltung der Handels- und Gewerbevereine wurde die Werbung neuer Mitglieder intensiviert. Unter den nachfolgenden Vorsitzenden Dr. Heinz Kleinmann, vor allem aber durch Rudolf K. Fr. Schnabel wurden allein in den Jahren 1972 –1974 viele Neugründungen von Bürgervereinen initiiert, so dass die Mitgliederzahl sich sehr schnell auf über 30 erhöhte. Damals vertraten die Mitgliedsvereine rund 7.000 Einzelmitglieder.

Durch Auflösungen von Bürgervereinen sank diese Zahl dann bis zum Jahre 1979 auf rund 25 – die Zahl der Einzelmitglieder blieb aber durch gezielte Werbung konstant bei ca. 7.000.

Heute hat die Arbeitsgemeinschaft wieder 30 Mitgliedsvereine; die Zahl der vertretenen Einzelmitglieder ging dagegen in den letzten Jahren aus vielerlei Gründen stark zurück– vor allem aber wegen der Demographie ("hoher Altersdurchschnitt" und "fehlender Nachwuchs") – und zwar auf derzeit rund 6.000.

In der Mitgliederversammlung vom 1.3.1977 wurde die Satzung der ASB erneut den Erfordernissen angepasst. Der Eintrag beim Registergericht erfolgte aber erst am 17.2.1978.

Noch einmal durchgreifend geändert und neu gefasst wurde die ASB-Satzung zur Mitgliederversammlung am 15.4.1991 und mit einem Nachtragsbeschluss vom 8.4.1992 am 15.1.1993 ins Vereinsregister eingetragen. Offizieller Name seither: "Arbeitsgemeinschaft Stuttgarter Bürgervereine (ASB) e.V."

Aufgrund eines Hinweises des Historikers Wolfgang W. Kress und unter Mithilfe des 1. Vorsitzenden des Bürgervereins Untertürkheim, Herrn Eberhard Hahn, wurde noch einmal nach einer Vorgänger-Organisation für unsere A S B geforscht. Lt. Herrn Kress müsste es schon im Jahre 1906 eine Arbeitsgemeinschaft der Stuttgarter Bürgervereine gegeben haben. Herr Hahn hat daraufhin die Chroniken der Stadt Stuttgart der Jahre 1899 – 1906 noch einmal überprüft und fand folgende Hinweise:

In der Chronik von 1901 wird im Kapitel XIII auf den Seiten 151 und folgende unter dem Thema "allgemeine städtische Verwaltung" und "Bildung der bürgerlichen Kollegien" (heute Gemeinderats-Wahlen) ein Wahlergebnis proklamiert, wonach es in Stuttgart 14.278 Wahlberechtigte gab und 68% davon (= rund 9.700) zur Wahl gingen. Davon stimmten 823 Personen (= immerhin 8,5%) für die "Liste der Arbeitsgemeinschaft der vereinigten Bürgervereine".

Neben anderen Parteien und Vereinigungen hatte sich 1901 also auch eine Arbeitsgemeinschaft der Bürgervereine für die Besetzung des "Kollegiums" (Gemeinderates) zur Wahl gestellt.

Mit wie vielen Vertretern dann schlussendlich die Bürgervereine im "Kollegium" vertreten waren, konnte bisher nicht ermittelt werden – wohl aber, dass zur damaligen Zeit in Stuttgart 13 Bürgervereine existierten.

Einer davon dürfte der "Bürgerverein Bollwerk" (heutiges Gebiet Schloss- und Fritz-Elsas-Straße) gewesen sein, der schon in der Chronik von 1899 erwähnt wurde und einer der schon früh gegründeten Innenstadt-Bürgervereine neben denen von Stuttgart-Mitte und Stuttgart-Süd (beide 1874/1875 gegründet) war.

Ein 2. wichtiger Hinweis auf die damalige Existenz einer Arbeitsgemeinschaft der Bürgervereine findet sich in der Chronik des Jahres 1905. Dort ist vermerkt, dass der 1905 gegründete Bürgerverein Untertürkheim mit seinen spontan beigetretenen 137 Mitgliedern sogleich Mitglied in der "Arbeitsgemeinschaft der Bürgervereine von Groß-Stuttgart" wurde.

Aufgrund dieser neuesten Erkenntnisse ist also doch davon auszugehen, dass auch unsere A S B schon vor über 100 Jahren eine Vorgängerin hatte. Wie alle Vereinsorganisationen wurde sie vermutlich durch die Kriegswirren bzw. die politischen Umstände später zur Auflösung gezwungen.

Das Resultat dieser neuen Betrachtungen ist, dass die A S B e.V. in diesem Jahr 2008 eigentlich nicht die 50-jährige Wiederkehr Ihrer Gründung sondern ihrer W I E D E R -gründung feiern sollte.