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Stuttgart feiert in Stammheim: Abschied vom 15er – Abschied vom GT 4

Am 8. Dezember 2007 ist Feier-Abend an der Endschleife in Stammheim. Um kurz nach 22 Uhr fährt definitiv der letzte fahrplanmäßige GT 4 Straßenbahnzug von Stammheim ins Depot nach Cannstatt. Diese Fahrt markiert das Ende einer 48-jährigen Erfolgsgeschichte dieses Fahrzeugtyps in Stuttgart.
Anlässlich des Endes des Straßenbahnbetriebs nach Stammheim sowie des GT4 Fahrzeugtyps feiern an der Stammheimer Endschleife 12 Vereine und Institutionen aus dem Stadtbezirk Abschied, koordiniert vom Bezirksamt Stammheim, der SSB sowie dem Organisationsteam .

Der Feier-Abend ist Teil eines großen Straßenbahnereignisses in Stuttgart.
Um 11.45 Uhr fährt die neue U15 mit vorausfahrenden Oldtimerzügen 418 Baujahr 1925 und dem GT4 von der Haltestelle Nordbahnhofstraße zur Haltestelle Bubenbad. An beiden Haltestellen sind offizielle Feiern geplant. Danach wird Zug für Zug von der neuen Stadtbahn U 15 ersetzt und die GT 4`s fahren ins Depot bis auf voraussichtlich 4 Züge. Diese fahren dann nur noch zwischen der Schleife Zuffenhausen und der Endhaltestelle in Stammheim, an diesem Tag sogar kostenfrei. Um 17 Uhr ist Beginn des Ausschanks an der Endhaltestelle und um 17. 30 Uhr ist offizieller Beginn des “Feier-Abends.”
Dabei ist ein reichhaltiges Programm von Stammheimer Vereinen und Institutionen vorgesehen. Highlight des Abends wird die“Gitze-Road-Show“ mit zahlreichen Wolle Kriwanek-Songs unter anderem vom “Fünfer” sein. Ansprachen sind von Oberbürgermeister Dr. Wolfgang Schuster, SSB-Vorstand Wolfgang Arnold, Bezirksvorsteherin Tina Hülle sowie Martin Hechinger geplant, bevor kurz nach 22 Uhr „der letzte15er GT 4“ (Gelenktriebwagen) aus Stammheim fährt. Die Veranstalter rechnen mit vielen Besuchern, bedeutet diese letzte Fahrt doch eine markante Zäsur in der Straßenbahngeschichte Stuttgarts, die sich die Fans dieses Wagentyps sicher nicht entgehen lassen wollen.
Nach dem Abschied startet der Bus-ersatzverkehr U15 E, der uns Stammheimer dann 3 Jahre lang zu den wichtigen Verknüpfungspunkten S-Bahn Zuffenhausen und Stadtbahnhaltestelle Hohensteinstraße und zurück bringen wird.
Es gibt Tage im Stadtbezirk, die in die Geschichte eingehen werden.
Dieser 8. Dezember 2007 wird für Stammheim ein solcher Tag sein.
Es wäre erfreulich, wenn viele Personen daran teilnehmen würden. Schön wäre auch, wenn z.B. viele Menschen mit Laternen oder Wunderkerzen den Weg der letzten Bahn durch die Freihofstraße „heimleuchten“ würden. Herzliche Einladung daher an alle Stammheimer BürgerInnen und Bürger dem Abschied des alten 15ers beizuwohnen.

Gedanken zur Zukunft der Streuobstwiesen

Streuobstwiesen sind eine junge Kulturform. Ihr langsamer Aufstieg begann um 1800, ihr rascher Niedergang um 1950. Gleichwohl entwickelten sich die Streuobstwiesen in den etwa 100 Jahren ihrer Blütezeit zu einem das Landschaftsbild prägenden Element und einem Brennpunkt ökologischer Vielfalt. Bis zu 450 Pflanzen- und 3.000 Tierarten bieten sie Lebensraum. Dazu sorgen sie für Klimaausgleich, Boden- und Wasserschutz. Nachdem die Streuobstwiesen als Nahrungsmittel-, Futter- und Holzproduzenten nicht mehr rentabel sind, machen die ökologischen und ästhetischen Eigenschaften ihren Wert aus, sie dienen dem Naturschutz und der Landschaftspflege. Deshalb versuchen zahlreiche Initiativen zu retten, was noch zu retten ist. Hier sind Pflanzaktionen preiswert, pressewirksam und deshalb beliebt. Leider sind sie aber oft wenig erfolgreich, denn häufig fehlt es gleich danach schon an der Pflege. Ohne Baumscheibe droht Mäusefraß, Wasser- und Nährstoffkonkurrenz. Bei Trockenheit ist zu gießen, und ohne Düngung stockt das Wachstum. Ein sachkundiger Aufbauschnitt in den ersten 10 Jahren ist unerlässlich.
Bei Pflanzaktionen des „Stuttgarter Apfelsaft“ wird löblicherweise eine 5-jährige Pflege versprochen. Gut, wer aber pflegt den bis zu 15 m hohen Apfelbaum die danach kommenden 80 Jahre und den bis zu 20 m hohen Birnbaum die danach kommenden 120 Jahre? Das ist die entscheidende Frage! Doch hier wartet man vergebens auf eine verlässliche Antwort. Wie viele haben heute überhaupt noch die erforderlichen Pflegekenntnisse und bringen die körperlichen Voraussetzungen mit? Denn Baumpflege ist harte Arbeit und unfallträchtig. Auch zur Obstverwertung stellen sich Fragen: Wie weit liegt die nächste der in Baden-Württemberg verbliebenen etwa 100 Keltern entfernt? Wer hat noch einen Keller, um Most, Äpfel und Birnen lagern zu können? Wer dünstet noch ein, macht Dörr- und Backobst und bäckt und kocht Obstspeisen im Zeitalter der Single- und Doppelverdienerhaushalte mit Fast-Food? Der Bratapfel im Mikro?
Wahrlich, das Konsumverhalten änderte sich: Früchte aller Art aus aller Herren Ländern nach Qualitätsstandards sortiert ganzjährig frisch in kleinen Portionen, verschiedenste Fruchtsäfte importiert, preiswert und einwandfrei, schmackhaftes Dörrobst aus sonnenverwöhnten Ländern und Obstschnäpse sortentypisch und billig von überall her: Alles im Supermarkt. Auch der Gras- und Holzschnitt der Streuobstwiesen wird kaum noch gebraucht. Aus der ländlichen Tierhaltung wurde die Massentierhaltung, den Ofen ersetzten die Öl- oder Gasheizung.

Was wird nun aus den Streuobstwiesen? Betrachten wir zum Vergleich eine andere, weit ältere Kulturform, die bisher ebenfalls unser Landschaftsbild prägenden und ökologisch wertvollen Wacholderheiden. Sie entstanden im Mittelalter als Folge intensiver Wanderschäferei. Schon im 19. Jahrhundert ging die Schäferei zurück, weil Fleisch- und Wolleimporte billiger waren.
Damit begann die Auflassung, Verbuschung und schließlich Verwaldung großer Heideflächen. Im Regierungsbezirk Stuttgart nahm die Heidefläche zwischen 1900 und 1990 um 75 % auf knapp 3000 ha ab. Im Regierungsbezirk Tübingen bestand 1982 die verbliebene Fläche von 3300 ha zu 80 % aus Inseln kleiner 5 ha. Viele Restflächen werden ehrenamtlich vom Schwäbischen Albverein künstlich frei gehalten. Das ist verdienstvoll, aber nur Kosmetik. Denn wo der Schäfer mit seiner Herde nicht befährt, erhalten sich keine echten Wacholderheiden. So bleiben langfristig nur dort Heidereste erhalten, wo die Schafhaltung regional klug vermarktet wirtschaftlich ist, oder aber zur Erhaltung des Landschaftsbilds gefördert wird.

Ähnlich wie den Heiden ergeht es wohl den verbliebenen Streuobstwiesen. In Stadtnähe werden sie weiter Bauland oder zusammen mit den älteren Obstbaufreunden langsam das Zeitliche segnen, denn nur rund 10 % der Streuobstbäume sind jünger als 50 Jahre. In ländlichen Gebieten mit geringerer Bautätigkeit und Verdienstmöglichkeit wird diese Entwicklung langsamer verlaufen. Doch mit den Bauern, den Höfen und den ländlichen Dorfgemeinschaften werden auch dort die Streuobstwiesen lautlos verschwinden.
Allein in Regionen, wo noch ein Eigenbedarf besteht, wo Streuobstinitiativen aktiv sind, und der Verbraucher die Mehrkosten der Aufpreisvermarktung in Kauf nimmt, werden sich Streuobstwiesen halten. Sicherlich werden in Siedlungsnähe öffentlich gefördert Baumgruppen oder -reihen neu gepflanzt und gepflegt werden. Wie bei den Wacholderheiden werden aber überwiegend Restflächen verbleiben. Doch Flächen kleiner 10 ha sind ökologisch nicht mehr vollwertig, sie werden Zier, wehmütige Erinnerung. Ferner ist angesichts der langen Standzeit heute gepflanzter Hochstämme zu bedenken, dass schon 2050 in Deutschland statt 82 Mio nur noch etwa 70 Mio Menschen leben werden, die Hälfte davon älter als 55 Jahre und immer weniger im ländlichen Raum. Dabei wird die Zahl der Menschen im Erwerbsalter von heute 50 Mio um 11 -15 Mio abnehmen. Wer soll dann die Streuobstwiesen pflegen, zumal die Klimaerwärmung jetzt schon Krankheiten und Schädlinge des Obstbaus begünstigt?

Übrigens, nach den Wacholderheiden und den Streuobstwiesen, neuerdings nehmen im Weinbau die Brachen zu, insbesondere die historischen, das Landschaftsbild prägenden Steillagen gehen verloren. Auf breiter Front, der Wald holt sich sein angestammtes Land zurück.

Prof. Dr. Dr. hc A. M. Steiner

Sind die Streuobstwiesen noch zu retten?

Seit 1950 nahm in Deutschland die Streuobstfläche um etwa 75 % ab. Fachleute schätzen, dass es noch zwischen 300.000 und 500.000 ha Streuobstbau gibt. Genauere Angaben fehlen! Baden-Württemberg ist immer noch das Kernland des Streuobstbaus. Fast jeder zweite in Deutschland gegessene und auch gepresste Apfel wächst hier. Dabei ist aber insbesondere beim Tafelobst, aber auch beim Saft nicht der Streuobstbau, sondern der Niederstammanbau maßgebend. Denn mit 30 % der deutschen Gesamtanbaufläche ist Baden-Württemberg auch hier führend. Der Hochstammanbau nahm dagegen auch in Baden-Württemberg stark ab, seit 1934 um 70 %, davon allein zwischen 1965 und 1990 um 40 %. Wie die 1990 noch vorhandenen 11,4 Millionen Bäume auf 180.000 ha weiter abnahmen, ist nicht bekannt.
Seitens der Landesregierung ist eine Bestandsaufnahme nicht geplant (Landtag 2004), es wurde jedoch 2006 von nur noch 160.000 ha ausgegangen. Auch Regionen, wie beispielsweise 2005 der Landkreis Esslingen, lehnen eine Erhebung der Kosten wegen ab und verweisen auf die Gemeinden. Die Landeshauptstadt Stuttgart hat laut ihrem Streuobstwiesen-Faltblatt von 2004 noch etwa 170 ha typische Streuobstwiesen. Doch wie lange dies noch zutrifft, ist eine Frage der Zeit. Denn selbst in Naturschutzgebieten gehen Streuobstwiesen mangels Pflege (Foto Dr. M. Frisch) und Überalterung verloren, und auch Krankheiten wie Feuerbrand, Spitzendürre und Birnenverfall fordern ihren Tribut. Übrigens, die Heidäcker in Plieningen sind mit 34 ha Stuttgarts größtes zusammenhängendes Streuobstgebiet.
Um dem Verlust der für den Naturschutz und das Landschaftsbild wertvollen Streuobstwiesen zu begegnen, wurde bereits Mitte der 80er Jahre der Naturschutzbund Deutschland (NABU) aktiv. Sogenannte Streuobstinitiativen wurden gegründet, die mit allen denkbaren Mitteln modernen Marketings versuchen, den Streuobstbau zu erhalten. Inzwischen fand der NABU bei anderen Verbänden Unterstützung. In Deutschland gibt es heute etwa 120 Streuobstinitiativen, davon arbeitet die Hälfte in Baden-Württemberg wie beispielsweise „Schneewittchen“ im Bezirk Calw-Enzkreis-Freudenstadt, „Grünspecht“ in der Region Frankenhöhe und lokal seit 1990 mit einer Kelterei der „Stuttgarter Apfelsaft“. Das wichtigste Instrument der Initiativen zur Erhaltung des Streuobstbaus ist die Aufpreisvermarktung, an der sich in Baden-Württemberg durch die Übernahme einiger Kosten auch das Land beteiligt. Unter Aufpreisvermarktung versteht man den Ankauf von Äpfeln von Streuobstwiesen nicht zum Marktpreis, sondern zu einem annähernd kostendeckenden Preis. Dafür muss der Erzeuger der Äpfel ganz bestimmte, kontrollierte Bedingungen erfüllen, um die Bezeichnung „aus Streuobst“ zu rechtfertigen. Die Mehrkosten des Aufpreises werden mit 10 – 15 Cent pro Literflasche dem Verbraucher in Rechnung gestellt. So ist es der Verbraucher, der durch diese Mehrleistung den Streuobstbau fördert und damit Streuobstwiesen erhält. Allerdings macht in Deutschland in Abhängigkeit vom jährlich stark schwankenden Ernteaufkommen die im Rahmen der Aufpreisvermarktung erzeugte Streuobstgetränkemenge gerade einmal 0,6 – 1 % des Apfelsaftmarkts aus. Mehr als die Hälfte des Apfelsaftmarkts wird vom importierten Apfelsaftkonzentrat beherrscht.
Ferner besitzen in Baden-Württemberg, wo 80 % der etwa 30.000 deutschen Kleinbrenner wohnen, auch der Apfel- und Birnenbrand noch Bedeutung. Erst jüngst begannen sich die Streuobstinitiativen zusammenzuschließen. Im November 2006 fand in Hohenheim der erste landesweite Streuobsttag statt und im März 2007 in Fulda die erste Internationale Streuobstkonferenz mit Vertretern Deutschlands, Österreichs, der Schweiz und Englands. Beide Treffen dienten der Orientierung über die schwierige Lage.
So erfreulich die vielseitigen Bemühungen um die Erhaltung der Streuobstwiesen inzwischen sind, so ernsthaft stellt sich die Frage, ob die Aktivitäten vielerorts nicht zu spät kommen, um Streuobstwiesen noch flächig retten zu können. Denn wegen der mangelnden Wirtschaftlichkeit wäre zu deren Erhaltung eine langfristige Förderung unabdingbar. Welcher Geldgeber aber wollte die Subventionierung einer ständig zu pflegenden Dauerkultur mit einer Standzeit bei Apfel von über 80 und bei Birne von über 120 Jahren garantieren? So sieht die Bundesregierung die neuerdings mit EU-Geldern mögliche Förderung des Obstbaus derzeit nur für den kontrolliert-integrierten Obstbau und den Obstbau nach EU-Bio-Verordnung in Niederstammanlagen vor, und die Länderregierungen halten sich zurück. In den Gemeinden wird entgegen anderslautenden Beteuerungen dem Bauland und der Förderung anderer Vorhaben immer ein höherer Rang eingeräumt als dem Streuobstbau. In der Broschüre Streuobstwiesen der Stadt Stuttgart von 2004 steht: „Bauvorhaben in Bereichen von Streuobstwiesen sollen grundsätzlich vermieden werden.“ Gerade einmal kümmerliche etwa 170 ha sind übrig geblieben. Und die nehmen allerorts stückchenweise weiter ab, für Plieningen siehe Köpfert, Schießhausäcker und die geplante Friedhofserweiterung.

Prof. Dr. Dr. hc A. M. Steiner

Zur Geschichte des Obstbaus und der Streuobstwiesen

Die alten Kelten und Germanen sammelten noch Wildobst, das sie vereinzelt schon in Siedlungsnähe anbauten. Den gezielten Obstbau brachten im 1. Jahrhundert die Römer nach Germanien. Den hoffnungsvollen Anfängen machte aber die Völkerwanderung ab dem 3. Jahrhundert rasch ein Ende. Erst Karl der Große gebot 812 in seinen Krongütern wieder den Anbau von Obstarten, darunter von vier Apfelsorten.
Bis zum Ende des 16. Jahrhunderts dehnte sich der Obstbau dann in Klostergärten, Gärten Adeliger und schließlich auch städtischer Bürger aus; in der freien Landschaft gab es damals noch keinen Obstbau. Die Verwüstungen im 30jährigen Krieg machten erneut alles zunichte. Mit Herzog Karl Eugen von Württemberg, Markgraf Karl Friedrich von Baden und König Friedrich dem Großen von Preußen begann dann im ausgehenden 18. Jahrhundert durch die Einrichtung von Baumschulen, Anbaugeboten und der Ausbildung von Baumwarten die Anlage von Obstäckern, Obstwiesen und Obstbaumalleen. Johann Caspar Schiller, der Vater des Dichters Friedrich Schiller, Hauptmann und Hofgärtner Herzog Karl Eugens, hatte um 1785 in seiner Obstbaumschule auf der Solitude 224.000 Bäumchen stehen zur Verteilung im Land.
Zwischen 1800 – 1900 wurde besonders von König Wilhelm I. von Württemberg der Hochstammobstbau auf Äckern und Wiesen zur Obernutzung und Unternutzung gefördert. 1860 gründete Eduard Lucas, Leiter der Gartenbauschule in Hohenheim, den Deutschen Pomologenverein (lateinisch poma = Obst), und 1880 wurde der Württembergische Obstbauverband gegründet. Als Folge der Reblauskatastrophe kam es im ausgehenden 19. Jahrhundert zu einer Ausdehnung des Obstbaus, da Most den fehlenden Wein ersetzte, und verödete Rebflächen zu Obstbauflächen umgewidmet wurden. Auch der Tafelobstmarkt wuchs. Um 1930 hatte der Obstbau seine größte Ausdehnung. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der Erwerbsobstbau mit Niederstammanlagen gefördert und der Streuobstbau mit Hochstämmen ging ständig zurück. Wurden in Baden-Württemberg 1965 noch 19 Millionen Streuobstbäume gezählt, waren es 1990 mit nur noch 11,4 Millionen auf etwa 160.000 Hektar 40 % weniger. Leider liegen neuere Erhebungen nicht vor, obgleich sie dringend nötig wären, weil sich seit 1990 Siedlungs- und Verkehrsflächen weiter tief in die Streuobstwiesen hineingefressen haben. Dazu gingen mangels Pflege und Überalterung große Flächen verloren. Denn der Streuobstbau lohnt sich nicht mehr. Deshalb kann die aufwändige Pflege der Bäume zur Erhaltung des Landschaftsbilds, zum Naturschutz und zur Naherholung den Besitzern auch nicht abverlangt werden. So verschwinden die Streuobstwiesen und Obstbaumalleen, Nahrungsmittelproduzenten und Kulturgut, still und leise immer mehr. Dies halten auch zahlreiche Initiativen sowie gewisse staatliche Fördermittel kaum auf. Einfache Rechnungen machen das verständlich (Anmerkung: Die Kostenangaben ohne Mehrwertsteuer stammen von einer hiesigen Firma):
Plieningen hat schätzungsweise noch 60 ha und Birkach knapp 20 ha Streuobstwiesen sowie an Straßen einige Obstbaumalleen. Geht man im Mittel von den etwa 70 Bäumen pro Hektar in Baden-Württemberg aus, sind das auf den zusammen 80 ha unseres Stadtbezirks, die Alleenbäume eingerechnet, etwa 5600 Hochstammbäume abzüglich 30 %, siehe nachfolgend. Rechnet man zurückhaltend nur 50 Euro für einen ersten Pflegeschnitt mit Häckseln des Schnittguts pro Baum – der junge Baum und der 15 m hohe Veteran, zu dessen Pflege man einen Steiger braucht, gemittelt – so kommt man schon auf eine Leistung im Gegenwert von knapp 200.000 Euro.
Nach zurückhaltender Schätzung sind mindestens 30 %, d. h. rund 1700 Hochstämme, abgängig und zu ersetzen. Für das Fällen eines Baums, die Entfernung der Wurzel mit Fräße, das Häckseln des Schnittguts und die Abfuhr des Holzes sind selbst als Großaktion verbilligt gerechnet mindestens 150 Euro anzusetzen, und die Neupflanzung kostet pro Baum runde 65 Euro.
Eine solche Aktion entspricht somit einer Leistung von gut 360.000 Euro. Eine Sanierung der 80 ha käme somit insgesamt auf weit über eine halbe Million Euro. Solchen Leistungen steht, wie eine Anfrage im Landtag von Baden-Württemberg 2004 ausweist, im 20jährigen Mittel ein Mostobstpreis von 7,50 Euro pro Dezitonne Äpfel gegenüber, aber erst ab etwa 20 Euro ergäbe sich ein hinreichender Deckungsbeitrag. Angesichts dieser wirtschaftlich unbefriedigenden Situation sollte man sich im Bemühen um den Erhalt der Streuobstwiesen überlegen, wie, wo und in welchem Umfang diese noch nachhaltig gepflegt werden können. Denn dass Streuobstwiesen eine Kostbarkeit sind, die bestmöglich erhalten bleiben sollte, steht außer Zweifel.
Setzen wir uns deshalb für ihre Erhaltung ein, und freuen wir uns auf die herrliche Obstbaumblüte im nahenden Frühjahr und die leuchtend gelben und roten Birnen und Äpfel im Herbst.

Prof. Dr. Dr. hc A. M. Steiner

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